3. Treffen der Austauschplattform zirkuläre B2B Elektronik

Die Austauschplattform „Zirkuläre B2B Elektronik“ war am 14. Februar 2023 zu Gast bei der HARTING Stiftung in Espelkamp. 28 Vertreterinnen und Vertreter von Herstellern, Entsorgern, Hochschulen und Forschungseinrichtungen, von Netzwerken und Verbänden aus der Region und NRW sowie des Umwelt- und Wirtschaftsministeriums NRW nahmen am Netzwerktreffen teil. Dabei drehte sich alles um die Frage: Wie schaffen wir es, mit knappen Rohstoffen sparsam umzugehen und sie wirksam zu nutzen? Wie können also Materialien, Elektronikkomponenten und -produkte aus dem Business-to-Business-Bereich zukünftig stärker in Kreisläufen geführt werden?

Die HARTING Technologiegruppe ist ein weltweit führender Anbieter von industrieller Verbindungstechnik für die drei Lebensadern „Data“, „Signal“ und „Power“ mit 14 Produktionsstätten und Niederlassungen in 44 Ländern. Darüber hinaus stellt das Unternehmen auch Kassenzonen für den Einzelhandel, elektromagnetische Aktuatoren für den automotiven und industriellen Serieneinsatz, Ladeequipment für Elektrofahrzeuge sowie Hard- und Software für Kunden und Anwendungen u. a. in der Automatisierungstechnik, im Maschinen- und Anlagenbau, in der Robotik und im Bereich Transportation her. Rund 6.500 Mitarbeitende erwirtschafteten 2021/22 einen Umsatz von 1.059 Mio. Euro. „Grün ist unser Denken, und grün ist unser Handeln“ – unter dieser Maxime arbeitet HARTING seit über 25 Jahren aktiv daran, die Welt für nachfolgende Generationen zu erhalten. Langfristige Strategien und gesteckte Umweltziele sind dabei fest in die Unternehmensstrategie der Technologiegruppe integriert. Ein wichtiger Eckpfeiler auf diesem Weg: das Erhöhen der Kreislauffähigkeit von Produkten.

Als Mitglied der Austauschplattform „Zirkuläre B2B Elektronik“ war HARTING der Ausrichter des dritten Netzwerktreffens. Nach einer Führung der Gäste durch den Bereich der Abfallwirtschaft in der Wilhelm-Harting-Straße in Espelkamp und bei dem Recyclingunternehmen Hennemann Umweltservice Elektronik GmbH folgten Impulsvorträge und gemeinsame Diskussionen. 

Achim Schier, Manager Product Compliance bei HARTING, stellte vor, welche Auswirkungen „Stoffbeschränkungen zum Zeitpunkt der Produktentwicklung und zum Lebensende“ für Hersteller haben. Viele Produkte im Elektronikbereich haben eine lange Lebensdauer und sind in einer Zeit hergestellt worden, in der andere Stoffregulierungen galten. So sind heute deutlich mehr Stoffe kritisch eingestuft als noch vor 15 Jahren. Dabei kann es bis zu acht Jahren dauern, bis eine neue Stoffregulierung greift – von der gesellschaftlichen Fokussierung über die gesetzgeberische Vorbereitung bis hin zur tatsächlichen Beschränkung. Für spezifische Produkteigenschaften werden bislang Additive eingesetzt, die teilweise vorgeschrieben und nicht ohne Weiteres substituierbar sind, beispielsweise Flammenhemmer oder Licht- und Temperaturstabilisatoren. 

Anhand verschiedener Bauteile wurde aufgezeigt, wie Hersteller Materialien und Komponenten in der Vergangenheit bereits z.T. bedingt durch neue Normen durch weniger schädliche Stoffe ersetzt haben. Unter Umständen kann dies zu Zielkonflikten mit der Funktionalität oder Kundenanforderungen führen. Nur bei vollständigen Neuentwicklungen von Produkten können zukunftsweisende Materialien ausgewählt werden. Auf diese sich ändernden Regulierungen in der Produktentwicklung zu reagieren, ist für Hersteller nicht einfach, ebenso wenig, wie weitere Entwicklungen in der Zukunft zu antizipieren. (Graphik rechts: Impulsvortrag von Achim Schier von der HARTING Stiftung zum Thema „Stoffbeschränkungen zum Zeitpunkt der Produktentwicklung und zum Lebensende" Graphik HARTING Technologiegruppe)

Kerstin Hochmüller von der Marantec Group aus Marienfeld berichtete zusammen mit Mo Drescher von MODC, wie das Unternehmen einen zirkulären Torantrieb in Bezug auf Material, Komponenten und Geschäftsmodell entwickelt hat. Mo Drescher beleuchtete das Thema Nachhaltigkeit noch einmal grundsätzlich und wies insbesondere auf die Greenwashing Problematik vieler Produkte hin, die faktisch nicht nachhaltig sind und bei vielen eine dementsprechende Skepsis bis hin zu Widerstand auslösen. Er plädierte dafür, sich von einer emotional geführten Moraldebatte zu verabschieden und auch sehr genau auf gesetzliche Regelungen zu schauen, ob sie tatsächlich einen Beitrag leisten oder im Nachhinein eher das Problem verschärfen. Negativbeispiele sind Energiesparlampen und Wärmeverbundsysteme. Die Natur sollte als Vorbild genutzt werden, um Ökologie und Ökonomie zusammen zu denken und als Innovationsmotor zu nutzen.

Marantec ist mit der Fragestellung gestartet, ob Komponenten im B2B Bereich deutlich länger halten und zurückgenommen werden können, um sie wieder neu einzusetzen. Die meisten Komponenten halten länger als der dazugehörige Produktlebenszyklus. Diese Wiedernutzung kann zu einer enormen Kosteneinsparung führen. Dabei werden sowohl günstige als auch teure Komponenten in den Blick genommen und auf ihre Bestandteile sowie auf ihre Zusammensetzung analysiert. Kerstin Hochmüller wies darauf hin, dass viele Produkte „overengineered“ sind, d.h. Funktionen haben, die nie tatsächlich genutzt werden. Problematisch ist auch die Vielzahl von Varianten, verursacht durch länderspezifische Normen. 
Eine wichtige Rolle spielt die reverse Logistik. Marantec verkauft seine Produkte an Händler und Monteure. Diese sind relativ einfach zu überzeugen, alte Produkte zurückzugeben. Bei B2C Kunden muss dies über finanzielle Anreize erfolgen. Um die Qualität der zurückgegebenen Komponenten sicher zu stellen, wurden zusammen mit den Lieferanten geeignete Prüfverfahren entwickelt. Der Aufbereitungsprozess findet derzeit in Form eines manuellen Prozessablaufs statt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Kooperation mit Entsorgern. 
Die zirkulären Produkte von Marantec sind nicht teurer als die herkömmlichen Produkte. Ein weiterer Fokus liegt auf der Verfügbarkeit. Das Unternehmen liegt aktuell bei einer Wiederverwendungsquote von 5-10 % und will perspektivisch mindestens 70 % erreichen. 
Ein Zielkonflikt entsteht immer zwischen der Wiederverwendung von Altgeräten, die kritische Stoffe enthalten und dem Ressourcenverbrauch schadstofffreier Neugeräte. Hier können neue gesetzliche Normen und transparente Deklarationen (“H-Kennzeichen” für aufbereitete Produkte) eine Rechtssicherheit herstellen. Ein akutes Problem ist nach wie vor die Definition der Abfalleigenschaft, die eine Wiederverwendung be- bis verhindert. Lösungen, die im Einzelfall funktionieren, sind oftmals nicht in der Breite umsetzbar. Generell gilt es, eine tragfähiges Geschäftsmodell für einen Stoffkreislauf, d.h. für alle beteiligten Partner zu finden. Deshalb ist es so wichtig, die Unternehmen, die sich auf den Weg machen und beteiligen wollen, sichtbar zu machen.

In der Diskussion wurde deutlich, dass Rücknahmeprozesse aktuell komplexer als der Verkauf von Neuprodukten sind. An vielen Stellen fehlen noch organisatorische Lösungen, z.B. Verrechnungssysteme, Rückbuchungsmöglichkeiten in ERP-Systemen oder auch einfach nur Lagerkapazitäten. Julia Dornwald von der ZVEI-Landesstelle NRW bekräftigte, dass es viele Diskussionen über alle Produktgruppen hinweg sowie eine große Aufmerksamkeit für das Thema Zirkularität gibt. Auch Gabriele Paßgang von der Effizienz-Agentur NRW bestätigte eine steigende Anfrage auf der Unternehmensseite.
Achim Schier resümiert: „Unser drittes Netzwerktreffen war ein voller Erfolg! Wir haben frische Impulse bekommen, viele unterschiedliche Perspektiven und Ideen ausgetauscht – diese Netzwerkgespräche sind ungemein wichtig, um die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft von Elektronikkomponenten weiter voranzutreiben.“

Wie geht es weiter?
Der Nachmittag endete mit einer Ideensammlung:

  • Wie können Unternehmen die zukünftigen Herausforderungen bewältigen? Wie können sich NRW und die Region Ostwestfalen-Lippe (OWL) dafür aufstellen? Welche Unterstützung wird benötigt?
  • Können wir gemeinsam „ins Tun“ kommen? Können wir gemeinsame Initiativen aus OWL heraus (auch mit Förderung) auf den Weg bringen?
  • Können wir gemeinsame Forschungs- / Entwicklungsvorhaben auf den Weg bringen - wie kann Zirkularität verstärkt werden, z.B. (geförderte) Forschungsprojekte, Bachelor-/Masterarbeiten, Design Thinking Prozesse, …?
  • Was sind gemeinsame Anforderungen mit Blick auf mögliche zukünftige Wertschöpfungsnetzwerke?
  • Welche Fragen muss ich mir als Unternehmen stellen, um in das Thema effizient und effektiv einzusteigen?

Diese Ideen werden in den nächsten Treffen weiter gesammelt und ausgewertet. Nach Möglichkeit sollen erste Initiativen auf den Weg gebracht werden.

Das 4. Treffen findet am 09. Mai 2023 statt. Gastgeber ist die CTDI Schloss Holte GmbH, ein weltweites Full-Service-Unternehmen für Engineering, Repair & Logistik.

Unsere Themen:

  • Reparaturdienstleistungen und das zugrunde liegende Geschäftsmodell
  • Ausblick auf relevante politische und gesetzliche Rahmenbedingungen
  • Weitere Ideen und Kooperationsvorhaben 

Über die Austauschplattform „Zirkuläre B2B Elektronik“:
Die neu initiierte Austauschplattform zirkuläre B2B (Business to Business) Elektronik zielt darauf ab, relevante Akteursgruppen auf NRW-Ebene zusammenzubringen, notwendige Rahmenbedingungen, Herausforderungen und Umsetzungshemmnisse im industriellen Elektronikbereich zu identifizieren und mit Blick auf konkrete Handlungsbedarfe zu diskutieren. Vor diesem Hintergrund treffen sich Akteure aus dem B2B Elektronikumfeld - Hersteller, Entsorger, Verbände / Multiplikatoren, Wissenschaft & Forschung und NRW-Ministerien.

Mehr zur Austauschplattform finden Sie hier


Die Initiative wird getragen von InnoZent OWL e.V., in Zusammenarbeit mit dem Mittelstand-Digital Zentrum Ruhr-OWL, der Fachhochschule Bielefeld / CirQuality OWL und den Ministerien für Umwelt, Naturschutz und Verkehr sowie für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen im Rahmen des Runden Tisches Zirkuläre Wertschöpfung NRW.

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Das Mittelstand-Digital Zentrum Ruhr-OWL gehört zu Mittelstand-Digital. Mit dem Mittelstand-Digital Netzwerk unterstützt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz die Digitalisierung in kleinen und mittleren Unternehmen und dem Handwerk.

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Ansprechpartner

Ulrike Künnemann

Zirkuläre Wertschöpfung, Digitalisierung
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