Das neue ElektroG3 – Was bedeuten die Änderungen für Hersteller von Elektro und Elektronikgeräten?
Nachbericht zur Veranstaltung am 13.09.2021 im Technologiezentrum Bielefeld
Hersteller übernehmen Produktverantwortung für Rücknahme und Entsorgung
Ziel ist es, Abfälle von Elektro- und Elektronikgeräten zum Schutz der Umwelt zu vermeiden bzw. durch Wiederverwendung und Verwertung zu reduzieren. Das Gesetz dehnt die Verantwortung der Hersteller für ihre auf den Markt gebrachten Elektro- und Elektronikgeräte auf den gesamten Produktlebenszyklus ihrer Geräte aus. Es nimmt Hersteller, Vertreiber oder Importeure in die Pflicht, sich an den Entsorgungskosten ihrer Altgeräte zu beteiligen. Unternehmen müssen ihre auf den Markt gebrachten Elektro- und Elektronikgeräte nach bestimmten ökologischen Standards zurücknehmen und entsorgen.
853.000 Tonnen Elektroaltgeräte wurden im Jahr 2018 laut Umweltbundesamt (UBA) in Deutschland gesammelt. Dies entspricht einer Sammelquote von 43,1 Prozent, womit Deutschland das EU-Sammelziel von 45 Prozent leicht verfehlt. Um die ab 2019 für Deutschland geltende Sammelquote von mindestens 65 Prozent zu erreichen, braucht es ein ganzes Bündel an Maßnahmen. Dafür tritt am 1. Januar 2022 das novellierte ElektroG3 in Kraft.

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Dieses Gesetz legt Anforderungen an die Produktverantwortung nach § 23 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes für Elektro- und Elektronikgeräte fest. Es bezweckt vorrangig die Vermeidung von Abfällen von Elektro- und Elektronikgeräten und darüber hinaus die Vorbereitung zur Wiederverwendung, das Recycling und andere Formen der Verwertung solcher Abfälle, um die zu beseitigende Abfallmenge zu reduzieren und dadurch die Effizienz der Ressourcennutzung zu verbessern. Um diese abfallwirtschaftlichen Ziele zu erreichen, regelt das Gesetz das Marktverhalten der Verpflichteten.
Produktinformationen, Design- und Rücknahmekonzepte sowie Hinweismöglichkeiten - neue Auflagen für Hersteller, Vertreiber sowie neu für elektronische Marktplätze
Auf diese Gruppe kommen neue Verpflichtungen zu. Insbesondere regelt § 28 bezüglich der Informationspflichten der Hersteller gegenüber Wiederverwendungseinrichtungen und Behandlungsanlagen, dass
- jeder Hersteller Informationen über die Wiederverwendung, die Vorbereitung zur Wiederverwendung und die Behandlung für jeden in Verkehr gebrachten Typ neuer Elektro- und Elektronikgeräte kostenlos zur Verfügung zu stellen hat.
- die Informationen in Form von Handbüchern oder elektronisch zur Verfügung zu stellen sind.
- sich aus den Informationen ergeben muss, welche verschiedenen Bauteile und Werkstoffe die Elektro- und Elektronikgeräte enthalten und an welcher Stelle sich in den Elektro- und Elektronikgeräten gefährliche Stoffe und Gemische befinden.
Jeder Hersteller hat Elektro- und Elektronikgeräten, die eine Batterie oder einen Akkumulator enthalten, Angaben beizufügen, welche den Endnutzer informieren über
- den Typ und das chemische System der Batterie oder des Akkumulators und
- deren oder dessen sichere Entnahme.
Weiterhin haben Hersteller ihre Elektro- und Elektronikgeräte möglichst so zu gestalten, dass
- insbesondere die Wiederverwendung, die Demontage und die Verwertung von Altgeräten, ihren Bauteilen und Werkstoffen berücksichtigt und erleichtert werden.
- Altbatterien und Altakkumulatoren durch Endnutzer problemlos und zerstörungsfrei aus Elektro- und Elektronikgeräte entnommen werden können, die vollständig oder teilweise mit Batterien oder Akkumulatoren betrieben werden.
- sobald Altbatterien oder Altakkumulatoren nicht problemlos durch den Endnutzer entnehmbar sind, die Altbatterien und Altakkumulatoren problemlos und zerstörungsfrei sowie mit handelsüblichem Werkzeug durch, vom Hersteller unabhängiges Fachpersonal, entnommen werden können.
Hier ist davon auszugehen, dass die Hersteller die Produktkonzeption entsprechend anpassen und sich die Recyclingfähigkeit der Elektro(nik)geräte erhöht. Damit findet beim Produktdesign und der Produktherstellung die Recyclingfähigkeit mehr Beachtung. Außerdem ist denkbar, dass dieses Vorgehen zu einer erhöhten Anzahl an Elektro(nik)altgeräten führt, die im Rahmen der Entsorgung der Wiederverwendung zugeführt werden.
Jeder Hersteller (oder im Fall einer Bevollmächtigung, der Bevollmächtigte) ist verpflichtet für die Rücknahme und Entsorgung der Elektro- und Elektronikaltgeräte im B2B Bereich ein Rücknahmekonzept vorzulegen und hier eine zumutbare Möglichkeit zur Rückgabe zu schaffen. Weiterhin müssen die Elektro- und Elektronikaltgeräte im Fall der Rücknahme im Rahmen einer Erstbehandlung zur Wiederverwendung vorbereitet oder von Schadstoffen entfrachtet und Wertstoffen aus den Altgeräten separiert werden.
Die Kosten der Entsorgung trägt der Hersteller. Dies gilt jedoch nicht für historische Elektro- und Elektronikaltgeräte.
Entsprechend ist es in diesem Zusammenhang für die nach ElektroG3 betroffenen Hersteller ratsam, sich rechtzeitig umfassend mit den entsprechenden Vorgaben in Bezug auf die die Ausarbeitung eines Rücknahmekonzepts und in Bezug auf die Registrierung vertraut zu machen, um empfindliche Sanktionen zu vermeiden. So wäre es beispielsweise denkbar und auch laut § 7a Absatz 1 Punkt 2 zulässig, für die die Rücknahme der Elektro(nik)altgeräte Dritte zu beauftragen.

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Erstmals werden auch Verpflichtungen für das Nutzen der Dienstleistungen von elektronischen Marktplätzen sowie der Fulfilment-Dienstleister in Bezug auf den Umgang mit Elektro(nik)geräten festgelegt.
Vertreiber, die zur Rücknahme von Elektro- und Elektronikaltgeräten verpflichtet sind, haben ab dem Zeitpunkt des Anbietens von Elektro- und Elektronikgeräten die privaten Haushalte durch gut sicht- und lesbare, im unmittelbaren Sichtbereich des Hauptkundenstroms platzierte Schrift- oder Bildtafeln über Folgendes zu informieren:
- die Pflicht der Endnutzer nach § 10 Absatz 1, (sie haben Lampen und Batterien einer getrennten Erfassung zuzuführen)
- die Entnahmepflicht der Endnutzer für Altbatterien und Altakkumulatoren sowie für Lampen nach § 10 Absatz 2 Satz 2,
- die Pflicht der Vertreiber zur unentgeltlichen Rücknahme von Altgeräten nach § 17 Absatz 1 und 2,
- die von ihnen geschaffenen Möglichkeiten der Rückgabe von Altgeräten,
- die Eigenverantwortung der Endnutzer im Hinblick auf das Löschen der personenbezogenen Daten auf den zu entsorgenden Altgeräten und
- die Bedeutung des Symbols nach Anlage 3.
Vertreiber, die Elektro- oder Elektronikgeräte unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln anbieten, haben ab dem Zeitpunkt des Anbietens von Elektro- und Elektronikgeräten die Informationen nach Satz 1 den privaten Haushalten gut sichtbar in den von ihnen verwendeten Darstellungsmedien zu veröffentlichen oder sie der Warensendung schriftlich beizufügen.
Symbol zur Kennzeichnung von Elektro- und Elektronikgeräten (Anlage 3, ElektroG3):

Entsprechend der getroffenen Definitionen und Ausweitung des Gesetzes auf weitere Akteure wird das ElektroG3 im Zusammenhang mit dem florierenden Onlinehandel weitgreifende Berührungspunkte für Akteure schaffen, die bislang nicht von den Regelungen des ElektroG betroffen waren.
Die Betroffenen sollten sich rechtzeitig und umfassend mit den entsprechenden Pflichten vertraut machen, um empfindliche Sanktionen zu vermeiden. So dürfen mit Inkrafttreten des ElektroG3 laut § 6 Absatz 2 die Betreiber von elektronischen Marktplätzen nur Elektro(nik)geräte von ordnungsgemäß registrierten Herstellern anbieten oder bereitstellen. Die ordnungsgemäße Registrierung der Hersteller muss vor dem Anbieten oder Bereitstellen von Elektro(nik)geräten durch die Dienstleister geprüft werden. Gleiches gilt für Fulfilment-Dienstleister, die Lagerhaltung, Verpackung, Adressierung oder Versand von Elektro(nik)geräten als Dienstleistung erbringen. Sie dürfen ihre Dienstleistungen nur für Hersteller von Elektro(nik)geräten erbringen, die ordnungsgemäß registriert sind. Entsprechend gilt für jeden Hersteller von Elektro(nik)geräten, dass ohne eine ordnungsgemäße Registrierung die Inanspruchnahme der Dienstleistungen nicht rechtens ist und beispielsweise ein Verkauf der Ware über einen elektronischen Marktplatz verboten werden kann.

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Neue Rücknahmepflichten für den Handel
Neu in die Pflicht genommen wird auch der Lebensmittelhandel. Vertreiber mit einer Verkaufsfläche für Elektro- und Elektronikgeräte von mindestens 400 Quadratmetern sowie Vertreiber von Lebensmitteln mit einer Gesamtverkaufsfläche von mindestens 800 Quadratmetern, die mehrmals im Kalenderjahr Elektro- und Elektronikgeräte anbieten und auf dem Markt bereitstellen, sind verpflichtet,
- bei der Abgabe eines neuen Elektro- oder Elektronikgerätes an einen Endnutzer ein Altgerät des Endnutzers der gleichen Geräteart, das im Wesentlichen die gleichen Funktionen wie das neue Gerät erfüllt, am Ort der Abgabe oder in unmittelbarer Nähe hierzu unentgeltlich zurückzunehmen, und
- auf Verlangen des Endnutzers Altgeräte, die in keiner äußeren Abmessung größer als 25 Zentimeter sind, im Einzelhandelsgeschäft oder in unmittelbarer Nähe hierzu unentgeltlich zurückzunehmen; die Rücknahme darf nicht an den Kauf eines Elektro- oder Elektronikgerätes geknüpft werden und ist auf drei Altgeräte pro Geräteart beschränkt.

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Neue Gestaltungsmöglichen für Erstbehandler und öffentlich rechtliche Entsorger
Auch auf öffentlich-rechtliche Entsorger und Erstbehandler kommen Neuerungen zu. Zukünftig darf die Erfassung von Elektro- und Elektronikaltgeräten aus privaten Haushalten neben den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern, Vertreibern und Herstellern auch von zertifizierten Erstbehandlungsanlagen vorgenommen werden. Neu ist ebenfalls die Möglichkeit der Kooperation zwischen öffentlich-rechtlichen Entsorgern und Erstbehandlungsanlagen zum Zweck der Vorbereitung zur Wiederverwendung von Elektro- und Elektronikaltgeräten.

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Neue Einsortierungsregeln für öffentlich-rechtliche Entsorger
Die Einsortierung der Elektro- und Elektronikaltgeräte, insbesondere der batteriebetriebenen Altgeräte, in die Behältnisse nach Absatz 1 hat an den eingerichteten Übergabestellen durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger oder unter seiner Aufsicht zu erfolgen.
Neue Behandlungskonzepte sowie Datenerfassung für Erstbehandler
Der Betreiber einer Erstbehandlungsanlage hat ein Behandlungskonzept zu erstellen. Neu ist insbesondere die Verpflichtung, den Verbleib der Elektro- und Elektronikaltgeräte zu erfassen, z.B. Übergabe an eine andere zertifizierte Erstbehandlungsanlage, Übergabe an Behandlungs- und Verwertungsanlagen, Eigenvermarktung zur Wiederverwendung vorbereiteter Elektro- und Elektronikaltgeräte oder Übergabe an Vertreiber von zur Wiederverwendung vorbereiteter Elektro- und Elektronikaltgeräte auch hinsichtlich ihrer Bauteile, Werkstoffe und Stoffe und Angaben über Art, Menge und Kategorie der zur Behandlung ins Ausland ausgeführten Elektro- und Elektronikaltgeräte,
Neu sind auch Verfahrensabläufe bei der Vorbereitung zur Wiederverwendung wie Sichtprüfung, Funktionsprüfung, Sicherheitsprüfung, Datenlöschung und, wenn erforderlich, Reparaturmaßnahmen.

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Entnahme von Batterien und Lampen vor der Abgabe - neue Mitwirkungspflichten für Endnutzer:innen
Auch auf Endnutzer:innen kommen neue Mitwirkungspflichten zu. Sie haben Lampen und Batterien einer getrennten Erfassung zuzuführen. Weiterhin müssen sie Altbatterien und Altakkumulatoren, die nicht vom Altgerät umschlossen sind, sowie Lampen, die zerstörungsfrei aus dem Altgerät entnommen werden können, vor der Abgabe an einer Erfassungsstelle vom Altgerät zerstörungsfrei trennen. Dabei hat die Erfassung so zu erfolgen, dass die spätere Vorbereitung zur Wiederverwendung, die Demontage und das Recycling nicht behindert und Brandrisiken minimiert werden.
Was sind historische Altgeräte?
Historische Altgeräte sind:
- Altgeräte, die vor dem 13. August 2005 in Verkehr gebracht wurden, oder
- Leuchten aus privaten Haushalten und Photovoltaikmodule, die Altgeräte sind und vor dem 24. Oktober 2015 in Verkehr gebracht wurden;
- Altgeräte, die vor dem 15. August 2018 in Verkehr gebracht wurden, soweit sie vom Anwendungsbereich dieses Gesetzes in der Fassung vom 20. Oktober 2015 nicht erfasst waren;
Fazit und Ausblick
Es kann angenommen werden, dass die verstärkte Informationspflicht der Hersteller, die im novellierten ElektroG festgelegt ist, zu einer ansteigenden Sammelmenge von Elektro(nik)altgeräten führen wird.

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Durch die neuen Mitteilungs-, Hinweis-, sowie Informationspflichten tritt der Hersteller oder sein gesetzlich Bevollmächtigter in stärkere Interaktion mit Endnutzer:innen, Wiederverwendungseinrichtungen, Entsorgern. Die Endnutzer:innen bekommen, durch das ElektroG3 geregelt, vereinfachten Zugang zu den Informationen, die sie für die korrekte Entsorgung der Elektro(nik)altgeräte benötigen. Damit werden die Voraussetzungen geschaffen, Elektro(nik)altgeräte in der Entsorgung verstärkt dem richtigen Stoffstrom zuzuführen.
Aus den von den Herstellern zur Verfügung gestellten Informationen in Bezug auf den Aufbau der Elektro(nik)geräte, der Produktbeschaffenheit bzw. Zusammensetzung sowie Benennung von (potentiell gefährlichen) Stoffen und Gemischen lassen sich große Potenziale in Bezug auf die Wiederverwendung und Verwertung von Elektro- und Elektronikaltgeräte erwarten.
In Bezug auf die neu geschaffenen Rücknahmepflichten insbesondere für den Lebensmittelhandel werden Endnutzer:innen mehr Möglichkeiten geboten, Elektro- und Elektronikaltgeräte fachgerecht der Entsorgung zuzuführen. Zudem werden durch die neu geschaffenen Rücknahmemöglichkeiten für die Erstbehandlungsanlagen den Endnutzer:innen mehr Möglichkeiten geboten, Elektro(nik)altgeräte der Entsorgung zuzuführen. Damit werden die Risiken minimiert, dass Elektro(nik)altgeräte bei der Entsorgung in den falschen Stoffstrom gelangen.
Referenten: Dr. Ralf Brüning & Julia Wolf, Dr. Brüning Engineering UG, Brake - Vorsitzender der VDI-Richtlinie 2343 (Recycling elektrischer und elektronsicher Geräte), Leiter der VDI-Richtlinie 4095 (Bewertung von Kunststoffen in der Kreislaufwirtschaft) und Vorsitzender des VDI-Beirats FB2 Umwelttechnik
Eine gemeinsame Veranstaltung vom VDI – Verein Deutscher Ingenieure Ostwestfalen-Lippe e.V., InnoZent OWL e.V. und der Fachhochschule Bielefeld im Rahmen von CirQuality OWL sowie in Kooperation mit der IHK Ostwestfalen zu Bielefeld und der IHK Lippe zu Detmold am 13.09.2021 in Bielefeld. Die Veranstaltung war Bestandteil der solutions OWL – dem OWL Forum für Technologie und Innovation.
Das Vorhaben Cirquality OWL wird aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung /EFRE) sowie vom Land NRW gefördert.
